Humor/Lachen

Zu Siebels “Biologie des Lachens” (Noosomatik Band I, 1.5.12.1):

Auf der Suche nach dem Humor

Bildgebende Verfahren zeigen, dass komplexe Vorgänge im Gehirn ablaufen, bis sich im Gesicht ein Lachen zeigt

Ein Lachen versteckt sich nicht, der Humor mitunter schon. Während Lachen ein offensiver Gesichtsausdruck ist, der im Vergleich zu anderen auch aus großer Entfernung erkannt werden kann, war es ein ziemliches Stück Arbeit, bis Barbara Wild zum ersten Mal den Humor sah.

Denn das Geschehen hinter dem Lachen - das, was im Gehirn passiert und sich wohl mit dem Begriff Humor zusammenfassen lässt - erfordert weit mehr Aufwand bei der Beobachtung. Man braucht dazu einen Kernspintomografen, eine Kamera, die von dessen Magnetfeld nicht beeinflusst wird, einige Probanden und ein paar lustige Cartoons.

Barbara Wild, Neurologin am Universitätsklinikum Tübingen, nahm hundert von Gary Larson gezeichnete Comics und entfernte bei ihnen zum Teil die Pointe. So wollte sie herausfinden, welche Hirnaktivitäten tatsächlich mit Humor zu tun haben.

Mit dem richtigen Versuchsaufbau und viel Zeit wird Humor bei einer funktionellen Magnetresonanztomografie sichtbar. Bunt gefärbte Flecken auf dem ansonsten grauen, im Computer erzeugten Gehirnbild zeigen die Aktivität der einzelnen Hirnareale. Wild hat aus den Aufnahmen - zusammen mit dem Humorforscher Willibald Ruch, Psychologe an der Universität Zürich, und dem Psychotherapeuten Appletree Rodden vom Christlichen Krankenhaus Quakenbrück - ein Humormodell erstellt.

Zwei Lachnetzwerke im Gehirn

Das Modell, das die Nervenärztin kürzlich in Tübingen bei einem Treffen von Lachforschern aus aller Welt präsentierte, verdeutlicht, dass zwei unterschiedliche Netzwerke aktiv sind, wenn es um Lachen und Humor geht: eines für die Entstehung von echtem, mit Gefühlen verbundenem Lachen und eines für bloßes Höflichkeits-Grinsen.

Rein äußerlich ist das Lachen gut erforscht. Bereits 1862 entdeckte der französische Neurologe Guillaume Duchenne, wie man echtes Lachen erkennt. Er nahm Versuche vor, in denen er einzelne Gesichtsmuskeln elektrisch zu einem Lächeln reizte. Dabei stellte er fest: Tut sich um die Augen herum nichts, handelt es sich um ein unechtes Lächeln. Inzwischen können Forscher jeden einzelnen Muskel benennen, der zum Lachen beiträgt.

Vergleichsweise wenig wissen Wissenschaftler hingegen darüber, was beim Lachen im Gehirn abläuft. In der Vergangenheit wurde Humor meist anhand von Gehirnschäden erforscht. Die Studie von Wild zeigt nun an gesunden Versuchspersonen, welche Bereiche des Gehirns am Lachen beteiligt sind.

Im Mittelpunkt steht das Lach-Koordinationszentrum, das seinen Sitz im Hirnstamm hat. Es steuert die Gesichtsbewegungen, das Zwerchfell und die Stimmritzen. Das Zentrum steht unter dem Einfluss von verschiedenen Gebieten des Großhirns. In einer Art Humorschaltkreis wird in diesen Regionen zunächst Erstaunen über den Witz registriert, dann die Pointe erkannt und schließlich ein Gefühl der Erheiterung ausgelöst.

Wild und ihre Kollegen haben zudem ein Hirnareal ausgemacht, das wie ein Sensor oder ein Schalter wirkt. Es entscheidet darüber, ob wir etwas lustig finden oder nicht, und gibt letztendlich die Erlaubnis zum Lachen.

Bei Witzen wie "Wie viele Blondinen braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? Fünf: eine, die die Glühbirne hält, und vier, die an dem Tisch drehen, auf dem sie steht" wird bei vielen Menschen das Sensor-Areal aktiv und bewertet das Gehörte als lustig. Das Prinzip dahinter: Dinge, die zunächst unvereinbar erscheinen (Warum sollte man mehr als eine Person brauchen, um eine Glühbirne zu wechseln?) werden in dem Witz zusammengebracht.

Einige Menschen jedoch haben vielleicht prinzipiell etwas gegen Blondinenwitze. Bei ihnen würde der Sensor die Erlaubnis zum Lachen verweigern.

Was die Forscher überraschte: Wird etwas für lustig befunden, dann wird nicht etwa das Lachen an-, sondern dessen Unterdrückung ausgeschaltet. "Wir sind im Prinzip die ganze Zeit dabei, unsere Mimik im Griff zu halten", sagt Wild. Der Forscherin zufolge funktioniert bei Kindern die Unterdrückung des Lachens noch nicht so gut - die betroffene Hirnregion, das so genannte Stirnhirn, reift nämlich erst relativ spät. Deshalb lachen Kinder so viel und sind so leicht zum Lachen zu bringen.

Besonders schwer zum Lachen zu bringen sind depressive Menschen. Bei ihnen versteckt sich der Humor irgendwo hinter mächtiger Trauer. Die Psychiaterin Irina Falkenberg, ebenfalls vom Universitätsklinikum Tübingen, hat mit einer Gruppe von sechs leicht- bis mittelgradig depressiven Patienten erstmals untersucht, ob Humor zur Behandlung der Krankheit taugt. "Wir wollten einen anderen Weg wählen", sagt sie. "Die Patienten erfahren in den Therapiegesprächen jede Menge über ihr Leiden - das ist eher bedrückend. Wir wollten ihnen etwas Aufmunterndes anbieten." Die Forscherin findet es erstaunlich, dass noch niemand vor ihr versucht hat, Humor therapeutisch einzusetzen.

"Wir haben ein amerikanisches Trainingsprogramm benutzt, das wir für unsere Bedürfnisse abgewandelt haben", erklärt sie. Zu Beginn des achtwöchigen Versuchs im vergangenen Frühjahr wurde mit den Probanden zunächst besprochen, was diese überhaupt als komisch empfinden. Anschließend begleitete Falkenberg ihre Patienten dabei, wie sie ihren Humor wiederfanden: Im Dienst der Therapie haben diese zunächst lustige Begebenheiten aufgeschrieben, Cartoons ausgeschnitten und Witze gesammelt. Die Patienten hätten mit den Übungen auch gelernt, Komisches im Alltag wahrzunehmen - selbst in schwierigen Situationen, sagt Falkenberg. Die Therapeutin wollte ihnen so einen anderen Blick auf sich selbst und ihre Umgebung vermitteln. "Dadurch lassen sich Rückfälle vielleicht verhindern", sagt sie.

Viel Freude an der Lachtherapie

Ob die Humorbehandlung wirkt, kann Falkenberg noch nicht mit Sicherheit sagen. Die erste Auswertung von Fragebögen, die die Patienten vor und nach der Therapie ausfüllten, deutet zumindest darauf hin: Den Patienten ging es nach den Lachsitzungen deutlich besser. In der kleinen Studie habe sie aber nicht untersuchen können, ob die Verbesserungen ausschließlich auf ihre neue Methode zurückzuführen sind, räumt die Therapeutin ein. Die Patienten bekamen nämlich weiterhin Medikamente und es gab auch keine Vergleichsgruppe ohne Humortraining.

In weiteren Studien will die Psychiaterin das Verfahren nun wissenschaftlich absichern. Einen Schluss kann sie schon jetzt ziehen: "Die Patienten hatten viel Freude an den Sitzungen. Sonst schwänzen sie auch mal gerne - zu dieser Therapie sind fast immer alle erschienen."

Quelle: Berliner Zeitung, 12.August 2005

http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0804/wissen/0004/
http://www.berlinonline.de/themen/gesundheit-und-fitness/fitness-und-wellness/lachen/index.php
 

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