S.780: “Nun gilt wie ein Naturgesetz leider eine unabänderliche Wechselbeziehung zwischen der Freiheit, die allein die Früchte der innovativen Möglichkeiten des menschlichen Sinnens und Könnens reifen und ernten lässt, und der Ungewissheit darüber, was dabei herauskommt: Freiheit und Sicherheit lassen sich nicht gleichzeitig maximieren. Freiheit ist immer Freiheit zum selbstverantwortlichen Wagnis. Der Lohn des Wagens ist in Wissenschaft und Forschung genauso wie auch sonst im Leben der Erfolg, der Preis das Risiko des Scheiterns. Dass eine freie Gesellschaft daher immer eine Risikogesellschaft sein wird, ist richtig. Aber derselbe Geist der Wagnis, des Versuchs, des Selbstvertrauens auf dem Weg ins Ungewisse, derselbe Geist der Freiheit, der sich Risiken aussetzt, um Chancen zu gewinnen, ist auch das beste Mittel, um Risiken zutreffend einzuschätzen und ihnen, wann immer nötig, tatkräftig zu begegnen. Man hat Wissenschaft, Forschung und Innovation zu Recht oft vorgehalten, dass sie der Menschheit immer neue Risiken aufbürden. Aber es ist genau die Fähigkeit, in Freiheit neue Möglichkeiten zu erkunden, neue Erkenntnisse zu suchen, neue Erfindungen zu machen, die das Wagnis der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, diese Kultur der Freiheit zum Wagnis, nicht nur so erfolgreich macht, dass mehr Menschen als jemals zuvor in der menschlichen Geschichte davon für Leib und Leben profitieren können, sondern die zugleich jene unvermeidlichen Risiken beherrschbar macht, denen eine wagnisscheue, innovationsbange Zivilisation passiv ausgeliefert ist, obwohl sie diese dadurch doch nicht verhindern kann: die Risiken von Versorgungsmängeln, die Risiken von Krank:heiten und Gesundheitsgefährdung, die Risiken sozialer Krisen unzureichend produktiver Gesellschaften, die Risiken ideologischer Verblendung und zwischenmenschlicher Entfremdung.”
S. 782: “Eine solche Gesellschaft, eine sehr deutsche Gesellschaft, ist deshalb keineswegs wissenschaftsfeindlich: Sie liebt die Wissenschaften geradezu, solange nichts dabei herauskommt, was gewohnte Verhältnisse radikal verändern könnte.”
Da haben wir ihn, den “Mythos von der normativen Kraft des Bisjetzigen”...
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